Das Supermodel Claudia Schiffer über ihre eigens entworfene Kaschmirkollektion, die Mode ihrer Kindheit, frühe Erfolge im Modebusiness und darüber, wie sie trotz des Umzugs nach England das Deutsche in sich bewahrt.
20. Juli 2011 Es ist ein warmer Sommertag in Notting Hill. Wir klingeln an einem unauffälligen weißen Townhouse mit zugewachsenem Vorgarten. Eine Mitarbeiterin öffnet und begleitet uns in einen Raum im Erdgeschoss. An den Wänden hängt moderne Kunst. Claudia Schiffer kommt in Jeans und Kaschmirpullunder. Sie wirkt noch größer und noch schlanker als auf Fotos. Sie lächelt freundlich. Wir setzen uns auf die Ledercouch. Sie lässt sich einen Tee bringen und erzählt.
FAZ: In diesen Tagen wird die erste Kollektion von Claudia Schiffer in die Läden kommen. Wie fühlt sich das an?
Claudia Schiffer: Es ist toll, dass es endlich so weit ist. Ich hoffe natürlich, dass es den Frauen gefällt. Da bin ich etwas nervös, weil ich die Kollektion für mich gemacht habe und weiß, dass sie mir gefällt, aber ob das für andere auch so ist, muss man sehen. Die Resonanz ist bisher sehr positiv. Wir freuen uns sehr, dass wir die Kollektion an ausgewählte Geschäfte verkaufen konnten; aber jetzt muss man sehen, ob sie auch tatsächlich gekauft wird.
Sie sind eines der bekanntesten Models der Welt. Als Designerin sind Sie eine Anfängerin. Wie ist es, auf einmal auf der anderen Seite zu stehen und Kleider zu entwerfen?
Das ist eine große Herausforderung. Ich habe natürlich viel gelernt in der Modebranche, dadurch, dass ich von A bis Z immer dabei war, von den Skizzen, den Fittings und bis zu den Samplings und Werbekampagnen. Aber ich habe es nie selbst gemacht. Aber wir sind ja auch eine Partnerschaft eingegangen mit der Kaschmirdesignerin Iris von Arnim. Sie hat so viel Knowhow, da kann ich mich drauf verlassen. Ich muss mich also nur auf das Kreative konzentrieren.
Wie sieht bei Ihnen der Prozess des Entwerfens aus?
Ich mache zuerst ein "Moodboard", um ein Gefühl für die Linie zu entwickeln; dann entwerfe ich die Skizzen zu den jeweiligen Outfits. Hierin bin ich allerdings nicht so gut wie andere Designer. Ich male eher so wie meine sechs Jahre alte Tochter. Und dann sprechen wir im Team darüber. Es kann immer sein, dass Iris von Arnim, die ja jahrelange Erfahrung hat, sagt, dass eine meiner Ideen technisch nicht umsetzbar ist.
Haben Sie sich auch mit Kaschmir beschäftigt? Da geht es ja um bestimmte Ziegen, um Garne und wie viele Fäden ein Pullover haben muss, damit er gut ist.
Das ist das Technische, das von Iris von Arnim kommt, deren Label für besonders hohe Qualität steht. Ich habe viel gelernt im letzten Jahr. Dazu kommt meine Erfahrung als Model: Ich weiß, wann ein Stück gut aussieht, wann etwas sitzt.
Wie kam es eigentlich dazu, dass Sie nun eine Kaschmirkollektion entwerfen?
Ich hatte Suzy Menkes, der Modekritikerin der "International Herald Tribune", gesagt, dass ich schon lange vorhatte, etwas selber zu machen. Das lag daran, dass ich von Anfang an ein eigenes Unternehmen auf langfristiger Basis gründen wollte. Und hatte seit langem schon mit meiner Businesspartnerin die richtigen Partner gesucht.
Sie wollten also nicht wie viele andere Models Ihren Namen für ein Produkt hergeben, das schnell wieder vom Markt verschwindet.
Wie das so ist, wenn man bekannt ist: Lizenzunternehmen kommen auf einen zu und bieten sehr viel Geld für Produkte, die die Firma vielleicht gut findet, man selber aber nicht. Ich habe aber in meiner Karriere so lange mit den besten Leuten der Branche gearbeitet, dass ich meinen Namen nicht hergeben wollte für Produkte, hinter denen ich nicht hundertprozentig stehe oder die ich selber niemals anziehen oder verwenden würde. Viele Businessleute sagten mir immer wieder: Du bist wahnsinnig, dass du alles ablehnst.
Und dann kam Suzy Menkes ...
Ja, sie lud mich auf die Luxury Conference nach Berlin ein und sagte: "Du kommst auf die Bühne, ich mache ein Interview, und da sagst du genau, was du suchst. Und pass mal auf, da passiert schon irgendwas." Und dann kam tatsächlich Valentin von Arnim, der Sohn von Iris von Arnim, auf mich zu und sagte, wir machen genau das, was du suchst.
Kannten Sie die Marke vorher?
Meine Mutter mochte schon immer Iris von Arnim, und ich habe früher ihre Kaschmirpullover mitgetragen. Es ist ein kleines Familienunternehmen, das mochte ich sehr. Und sie waren bereit, mit mir eine eigene Firma aufzubauen und nicht nur eine Linie herauszubringen, damit ich alles Kreative entscheiden kann. Wir sehen das als langfristiges Projekt. Ich möchte das Unternehmen, wenn es gut läuft, eventuell mal an meine Kinder weitergeben. Das wäre ein Traum von mir.
Welche Zielgruppe haben Sie im Sinn?
Es sind Frauen, die aktiv sind. Ich denke, gerade viele in meinem Alter haben keine Zeit morgens, sie müssen die Kinder in die Schule bringen oder zum Meeting. Die wollen nicht lange vorm Spiegel ausprobieren, sie wollen schnell etwas überziehen, das zwar schick, aber auch lässig ist und sich über den Tag mit Accessoires variieren lässt. Es sind außerdem Teile, die Bestand haben, die man noch in zwei oder zehn Jahren rausholen kann. Das mache ich selber auch so: Ich trage Sachen immer wieder, auch nach Jahren, und kombiniere sie dann anders.
Kaschmir hält ja auch sehr lange ...
Wenn Kaschmir richtig gut ist, kann es sehr lange halten, fast ein Leben lang. Ich habe noch Kaschmirpullover meines Vaters aus den sechziger Jahren.
Das Logo Ihrer Marke ist eine kleine Spinne. Auch bei einigen Prints beziehen Sie sich auf Insekten. Was fasziniert Sie daran?
Das fing damit an, dass ich eine Kollektion haben wollte, die davon erzählt, was ich bin und was meine Leidenschaften sind. Ich wollte nicht, dass sie einfach nur gut aussieht. Ich fand Insekten, Käfer und Spinnen immer interessant, schon als Kind. Ich hatte keine Angst vor ihnen, sondern war fasziniert davon. Wenn man sich Insekten anschaut, sieht man, dass sie so viele einzelne Details und wunderschöne Farben haben. Das sehen die meisten natürlich nicht, weil sie sie nicht in die Hand nehmen wollen. Ich hatte damit nie ein Problem. Und ich liebe die Natur und den Wald, aber weniger die Schmetterlinge, sondern die Nachtfalter oder die dunklen Spinnweben, die nach dem Regen so schön funkeln. Ich mag die Farben, die man im Wald findet. Dunkelblau wie die Nacht, Grau wie die Steine.
Ist das nicht sehr düster?
Einige im Team sagten, ich sollte vielleicht mehr Farbe reinbringen, mehr Emotionen. Es ist ein großes Statement, in den Farben monochrom zu bleiben, nur Erdtöne zu bringen. Aber bei dieser Kollektion wollte ich nur das zeigen, was ich wirklich bin, was mir gefällt. Mein Moodboard trug den Titel "The dark side of nature".
Waren Sie auch als Kind viel im Wald?
Ja, mein Vater hat an jedem Wochenende darauf bestanden, dass wir in den Wald gehen und einen Spaziergang machen. Egal, bei welchem Wetter. Wir haben das als Kinder nie gemocht. Heute finde ich das toll, diese langen Spaziergänge im Wald am Wochenende, wenn wir auf unserem Landsitz in Suffolk sind, das erinnert mich eben an meine Kindheit. Und heute ist es genau das Gleiche mit meinen Kindern.
Das ist ja etwas sehr Deutsches, die Verehrung des Waldes ...
Ach ja? Da habe ich noch nie drüber nachgedacht. Meine Großeltern, die Eltern meines Vaters, liebten übrigens auch ausgedehnte Spaziergänge. Die sind später sogar ins Siebengebirge gezogen, allein nur, um große Wanderungen zu machen.
Sie selbst sind dann auch sehr ländlich aufgewachsen?
Ja, Rheinberg ist eine kleine Stadt am Niederrhein mit sehr viel Wald drum herum und Gaststätten, in denen man dann sein Malzbier bekam oder Mettwurst mit Brötchen. Das war für uns Kinder übrigens immer das Ziel, nach einem nicht enden wollenden Spaziergang: Am Schluss durfte man sich in der Gaststätte etwas Leckeres zu essen bestellen.
Haben Sie damals schon ein Interesse für Mode gehabt? Viele Designer haben schon als Kind ihre Puppen gestylt oder bei ihren Müttern in Modezeitschriften geblättert.
Das war bei mir auch so. Ich erinnere mich daran, dass auf dem Gymnasium irgendwann mal meine Lehrerin sagte: "Hör jetzt endlich auf, mit deiner Freundin über Mode zu quasseln." Da war ich 14. Meine Mutter hat sehr viel für uns vier Geschwister genäht. Wir trugen zum Teil ähnliche Sachen, nur in unterschiedlichen Farben. Ich habe dann irgendwann auch Puppensachen genäht, was wahrscheinlich alle in der Zeit gemacht haben. Ich habe auch Stricken gelernt und damit meine Monchichis angezogen. Für Mode habe ich mich schon interessiert, aber auf der anderen Seite wollte ich nicht großartig auffallen, da ich sehr schüchtern war.
In Ihrer Familie ging man damals eher davon aus, dass Claudia mal Jura studiert wie Ihr Vater, oder?
Ich wusste nicht genau, was ich machen wollte. Mein Vater sagte immer, es wäre schön, wenn jemand von uns in seine Kanzlei einsteigen würde. Deshalb habe ich in der Schule unter anderem auch Latein gewählt, denn damals musste man das noch können, um Jura zu studieren. Weiß Gott, ob ich das jemals gemacht hätte.
Und dann wurden sie 1987 mit 17 Jahren in einer Düsseldorfer Diskothek angesprochen, ob Sie modeln wollten. Erschien Ihnen das damals realistisch?
Ich dachte damals, Modeln ist ein Hobby. Ich ging davon aus, dass man zur Universität geht und nebenbei modelt. Meine Eltern hatten auch die Idee, dass ich erst mal ein Jahr nach Paris gehe, als Model arbeite, Französisch lerne, zurück komme und studiere.
Dann kam alles anders ...
Ja, ich hatte dann sehr viel Glück, dass ich gleich mit den richtigen Leuten gearbeitet habe und meine Karriere sofort nach oben ging.
Sie sagten, dass Sie sehr schüchtern gewesen seien. Ist Ihnen der Beruf denn leichtgefallen?
Am Anfang dachte ich immer, die merken irgendwann, dass ich doch nicht so gut aussehe, und dann schicken die mich nach Hause. Ich war sehr unsicher und nicht sehr davon überzeugt, dass ich das Modeln besonders gut könnte. Ich habe es am Anfang auch nicht genossen. Wenn man schüchtern ist, steht man nicht gern im Mittelpunkt. Aber auf der anderen Seite dachte ich, du kannst jetzt schlecht nein sagen; mach was draus. Und dann habe ich versucht, mich durchzuschlängeln.
Das aber ziemlich erfolgreich. Haben Sie sich irgendwann daran gewöhnt, im Mittelpunkt zu stehen?
Was mir immer geholfen hat, waren die Kleidung und das Make-up. Man konnte dann weniger meine Emotionen sehen. Ich fühlte mich dann wie jemand anderes und konnte mich dadurch ungehemmt vor der Kamera bewegen.
Sie waren also auch kein Kind, das gerne vor der Kamera posierte?
Nein, ich war immer das Kind, das sich in die Vorhänge einwickelte, wenn Besuch kam oder jemand die Kamera rausholte. Von der Persönlichkeit her hätte ich eigentlich nie Model werden dürfen. Die geborenen Models sind die, die im Mittelpunkt stehen wollen.
Wie viel hat es Ihnen geholfen, dass Sie zu Hause viel über Disziplin gelernt haben?
Hart arbeiten zu können hilft natürlich. Von außen sieht der Job sehr einfach aus, aber wenn man drinnen ist, ist er sehr hart: Jeden Tag auch abends arbeiten zu müssen, im Jetlag zu sein und dabei noch gut auszusehen, da muss man schon sehr diszipliniert sein. Modeleute schätzen es sehr, wenn man professionell ist, pünktlich ankommt, seine Arbeit gut macht und mit überlegt, wie das Produkt verkauft werden soll. Man bleibt immer höflich. Meine Eltern haben sehr viel Wert auf eine gute Erziehung gelegt. Sie haben uns gute deutsche Tugenden mit auf den Weg gegeben, wie zum Beispiel Fleiß, Zuverlässigkeit und Disziplin.
Das Modelgeschäft hat sich sehr geändert. Es gibt immer neue Gesichter, die schnell wieder verschwinden. Trotzdem sind Sie und die anderen Supermodels immer noch unglaublich gefragt. Woran liegt das?
Das liegt vermutlich daran, dass heute nicht nur Models auf den Covern sind, sondern auch Schauspielerinnen und Musikerinnen. Wir "Supermodels" sind alle noch da, weil wir einen bestimmten Bekanntheitsgrad haben, den man braucht, um auf die Titelseiten zu kommen. Heute ist es viel schwieriger für ein Model, solche Wellen zu schlagen und so präsent zu sein, wie wir es damals waren.
Sehen Sie noch manchmal Ihre Supermodel-Kolleginnen?
Ja, wir sind alle im E-Mail-Kontakt und haben auch oft Shootings zusammen. Vor kurzem hatte ich wieder eins mit Helena Christensen und Eva Herzigova.
Damals hätten Sie alle sicher nicht gedacht, noch so lange im Geschäft zu bleiben?
Ja, in den Neunzigern war mit 30 Jahren eigentlich immer das Ende für die Modelkarriere gewesen. Wir haben allerdings auch nicht dafür gearbeitet, dass wir mal die bekanntesten Models der Welt werden. Erst im Rückblick haben wir gemerkt, dass wir Teil einer Zeit waren, die sehr aufregend war. Das hält einen weiterhin zusammen. Wenn wir heute ein Shooting haben, ist es so, als würden wir eine Mitschülerin von früher treffen und uns über alte Zeiten unterhalten. Früher waren wir natürlich eher Konkurrentinnen, was ganz natürlich ist. Heute gibt es das gar nicht mehr. Heute sind wir Freunde und helfen uns gegenseitig.
Sie waren immer das typisch deutsche Model, blond, diszipliniert, fleißig. Sie leben seit Jahren im Ausland. Wie sehr sehen Sie sich überhaupt noch als Deutsche?
Noch mehr, als ich es früher gespürt habe. Man muss erst ins Ausland gehen, um zu merken, wie sehr man deutsch ist oder ob man stolz darauf ist. Ich bin immer sehr stolz darauf gewesen, weil Deutsche ein sehr gutes Image haben. Wenn man sagt, man kommt aus Deutschland, weiß man im Allgemeinen: Die Person ist organisiert, diszipliniert, pünktlich, direkt.
Manche finden das aber auch ein bisschen langweilig ...
Ich bin lieber langweilig, habe dafür aber diese Qualitäten. Das Einzige, was sie im Ausland über uns oft sagen, ist, dass wir angeblich keinen Humor hätten. Aber das sehe ich anders: Wir Deutschen haben einen hervorragenden Humor und können gut über uns selber lachen.
Vor kurzem haben Forscher für Aufsehen gesorgt, weil sie herausfanden, dass jeder zweite Engländer von den Deutschen abstammt. Das finden viele nicht lustig.
Ich bin jedenfalls sehr stolz, Deutsche zu sein. Manchmal treffe ich Deutsche, die mit mir Englisch sprechen wollen. Das kann ich überhaupt nicht verstehen, ich liebe die deutsche Sprache, ich spreche mit meinen Kindern nur Deutsch und habe sehr viele deutsche Freunde hier. In der Schule haben wir eine Deutschgruppe gegründet, in der die Kinder sich einmal in der Woche mit der deutschen Kultur beschäftigen, mit den Traditionen, von Karneval bis St. Martin.
Wie viel bekommen Sie von Deutschland überhaupt noch mit? Wissen Sie, wer der neue Wirtschaftsminister ist?
Nein, ich lese eigentlich nur englische Zeitungen und schaue englisches Fernsehen. Manchmal schalte ich mit den Kindern Kika ein, zum Beispiel haben wir vor Weihnachten "Drei Nüsse für Aschenbrödl" gesehen. Ich bekomme natürlich alle großen Entscheidungen in Deutschland mit, aber nicht mehr, was im Einzelnen passiert.
Sie versuchen, Ihren Kindern ein relativ normales Leben zu bieten. Es gibt Prominente, die sich mehr abschotten. Sie leben hier in Notting Hill mittendrin.
Ja, hier leben viele junge Familien, das ist schön. Natürlich ist das mit den Paparazzi nicht so toll, die stehen jeden Morgen vor der Schule. Ich versuche dann, den Kindern das so zu erklären: Die machen auch nur ihren Job und leben davon. Sie machen ihre Fotos und verdienen so ihr Geld.
Interview: Anke Schipp
[Quelle: www.faz.net]